Es ist noch nicht lange her, da war ich der absolute "Begräbnismuffel".
Bis auf wenige Ausnahmefälle fand ich für mich immer eine Entschuldigung um
nicht bei solchen "Feierlichkeiten" teilnehmen zu müssen:
"Derjenige hätte ja ohnehin nichts mehr davon"
"Verabschieden kann ich mich ja auch später allein"
Erst als mein Vater seinen Weg angetreten hatte, erkannte
ich als trauernde Hinterbliebene, wie gut Beileidsbekundungen tun können. Gerade
von jenen, die es tun, nicht weil sie sich verpflichtet fühlen und denken, zu
müssen, sondern von jenen, denen es ein echtes Bedürfnis ist.
Als mich vor Kurzem die Nachricht vom plötzlichen Ableben eines Cousins
einen Tag vor seinem 50igsten Geburtstag erreichte, gab es für mich keinen Zweifel, dass ich bei seiner Verabschiedung dabei sein wollte. Nicht, weil wir
uns so nahe standen, das Gegenteil war eher der Fall. Wenn ich an ihn denke, dann sehe ich
ihn als Kind vor mir, wenn wir bei unseren Großeltern zusammen kamen. Der
Erwachsene blieb mir fast zur Gänze fremd. Es gab kaum Berührungspunkte.
Er war ein Teil meiner Kindheit. Spannend, dass ich gerade
in den letzten Monaten öfters an ihn dachte.
Meine Cousine, seine jüngere Schwester, hatte in den letzten
9 Jahren mit ihm 5 ihrer nächsten Verwandten verabschieden müssen. Grund genug,
dem dringenden Bedürfnis nachkommen zu wollen, an diesem Tag bei ihr zu sein.
Beschäftigt hat es mich dennoch im Vorfeld und um ein Haar
wäre mein Vorhaben aufgrund
technischer Probleme verhindert worden. Als ich angekommen war, nahm mich meine Cousine zunächst gar nicht richtig wahr, obwohl ich sie
angesprochen hatte. Wahrscheinlich hatte sie mich mit einer anderen Haarfarbe
in Erinnerung und der Mund-Nasen-Schutz tat sein Übriges.
Ich setzte mich also hinter sie. Außer ihr kannte ich niemand der Anwesenden. Seine Witwe hatte ich wohl schon 1-2 Mal flüchtig gesehen, hätte sie aber nicht erkannt.
Am Ende der Trauerfeier verabschiedete ich mich von meiner
weinenden Cousine und wir
umarmten uns mit ein paar Worten. Die Zukunft wird zeigen, ob neue Bande
wachsen oder nicht.
Am Heimweg wollte ich endlich die Grabstätte meiner/unserer Großeltern besuchen
um eine Kerze anzuzünden. Ein Vorhaben, dass ich schon längere Zeit vor mir herschiebe. Dabei änderte ich meine Route und fuhr eine Straße
entlang, in der sie früher gelebt haben
und wo für mich der
Verbindungspunkt zu meinem Cousin lag. Einen Teil des Weges legten wir früher
zurück, wenn wir die Großeltern besuchten, es
war auch Teil des Weges, den meine Oma zu bewältigen hatte, wenn sie einkaufen ging.
Viel hat sich verändert. Wo einst Felder und Gärten waren, sind jetzt neue
Straßen entstanden. Ein kleiner Hauch von Nostalgie und Erinnerung streifte
mich.
Das Leben geht vorwärts - unaufhaltsam! Hier war es ganz
deutlich sichtbar.
Obwohl ich mir nicht sicher war, ob ich die richtige Abzweigung zum Friedhof
finden würde, befand ich mich auf Anhieb auf dem
richtigen Weg. Schon war ich am Parkplatz angelangt. Am Grab meiner Großeltern
zündete ich eine Kerze an. Sie teilen ihre letzte Ruhestätte nunmehr mit zwei
meiner Cousinen, meiner Tante und ihrem Mann.
Das Leben ringt uns manches Mal ziemlich viel ab. In diesem
Fall ganz schön viel von meiner Cousine, die einzige noch Lebende aus dieser
Familie. Noch dazu hat sie die Verantwortung für die Tochter ihrer mit 30ig
Jahren verstorbenen Schwester übernommen hat.
Demut - Betroffenheit! Einfach da sein! Nicht müssen,
sondern einem Gefühl, meinem Herzen folgend habe ich mich letztlich selbst beschenkt.
Ruhe in Frieden, "kleiner" Cousin - als Erwachsene blieben wir uns nahezu fremd, aber der kleine, blonde Knirps wird unvergessen in meinem Herzen bleiben.
Von 💗 zu 💗
(c) erika.klann