Letztes Jahr im November schloss mein lieber Papa für immer
die Augen. Sein Ende kam nicht überraschend, denn wir hatten 9 Monate Zeit uns
auf diesen Moment vorzubereiten. Neun Monate Kämpfe gegen das unwiderruflich
Festgeschriebene, Kämpfe gegen die Zeit, die abgelaufen war.
Selbst wenn ich mich innerlich darauf vorbereiten konnte,
oder die Vernunft sagte, dass er doch immerhin fast 91 Jahre wurde, dass der
Tod nicht das Ende ist, so ist es letztlich immer zu früh.
Vielleicht ist man ein wenig dankbarer, dass man diese
Person so lange an seiner Seite haben konnte, aber wenn man dann wieder andere
sieht, die mit beispielsweise 95 Jahren noch immer fit sind, dann kommt auch
dieses Gefühl von "Warum nicht er, wo er sich doch immer so fit gehalten
hat" Warum nicht? Weil seine Zeit einfach vorbei war und er ein Recht
hatte, zu gehen.
Nur langsam findet in der Trauer die vollkommene Akzeptanz
ihren Platz, sodass die Trauer mit der Zeit sich in liebevolle Erinnerung
wandeln kann.
Anfangs habe ich so sehr geweint, wenn ich Bilder meiner
Kindheit mit meinem Vater sah, oder andere Bilder von ihm aus längst
vergangenen Zeiten. Aber das war töricht, denn diese Vergangenheit war ohnehin
längst vorbei. Die Zeit geht vorwärts - immerzu. Es ist Unsinn eine Zeit zu
betrauern, die 30, 40 oder gar 50 Jahre
zurück liegt, denn auch wenn mein Vater noch am Leben wäre, diese Zeit wäre
dennoch vorbei.
Mein Vater hat sich immer um das Grab seiner Eltern
gekümmert und nun kümmere ich mich um dieses Grab, das nun auch seines geworden
ist. Tröstlich waren die Besuche dort kaum, im Gegenteil, zumeist
verließ ich mit Tränen in den Augen diese Stätte, war aufgewühlt, voller Trauer
und das Vermissen war groß.
Zu nahe waren noch die Erinnerungen, wenn wir gemeinsam das
Grab besuchten, oder aber auch der Gedanke, dass dort unten nun sein Körper
ruht, der Körper, denn ich so lange kannte und den ich nie mehr wieder sehen
oder gar seine Stimme hören würde.
Andererseits spüre ich meinen Papa sehr oft in meiner Nähe,
aber eben auf einer ganz anderen Ebene - nicht auf jener, die wir Menschen im
Allgemeinen gewohnt sind.
Friedhöfe sind aber auch Orte der Begegnung, denn so traf
ich beim Gießen der Blumen so manche Personen, die ich sonst eher weniger sehe
und es ergaben sich so manche Plaudereien.
Vielleicht ist auch das der tiefere Sinn eines Friedhofes,
dass sich im Gedenken der Toten, die Lebenden näher kommen.
Jemand sagte zu mir, dass das 1. Jahr das Schlimmste ist,
weil alles zum ersten Mal ohne diese Person statt findet. So erlebte ich im
Dezember das erste Mal seinen Geburtstag ohne ihn, danach Weihnachten, Neujahr,
den Frühling, Ostern, den Sommer, meinen Geburtstag und letztlich seinen 1.
Todestag. War der 22. November 2017 ein sonniger, heller Tag, so war der
heurige 22. November ein trüber, typisch grauer Novembertag. Oft musste ich an
das Jahr zuvor denken, in dem mein Vater schon pflegebedürftig war und nicht
mehr der über die Felder radelnde oder marschierende Mann.
In diesem Jahr ist so viel passiert, dass ich oft das Gefühl
habe, dass kein Stein auf dem anderen geblieben ist. Es war ein Jahr des
"sich lösens" von vielem, dessen Zeit genauso abgelaufen ist.
Das Leben stellt uns manchmal vor Herausforderungen, die uns
zu übermannen drohen und es ist leicht gesagt, dass nach dem Chaos wieder eine
neue Ordnung kommt, wenn man sich gerade mitten im Chaos befindet. Dennoch,
findet jedes Chaos ein Ende. Schritt für Schritt vorwärts gehen
und sich entsprechend Hilfe und Unterstützung holen.
Nach dem 1. Trauerjahr hat sich ein fast tägliches Meer von
Tränen mittlerweile in zeitweilige Bächlein verwandelt und es ist gut. Trauer
darf sein, Trauer soll sogar ausgelebt und raus gelassen werden, sonst kommt
sie in ganz anderer Form zu einer ganz anderen Zeit hervor.
Trauer darf kommen und gehen, sie ist menschlich. Darin ein zuhause zu finden
und zu verweilen ist weder im Sinn unserer lieben von uns Gegangenen, noch kann
es der Sinn des Lebens sein.
Ich glaube, ich habe noch nie so viele Tränen vergossen, wie
in diesem Jahr, aber mittlerweile lächle ich das Bild meines Vaters schon an
und bin dankbar, dass er mein lieber Papa war, wir uns hatten und
füreinander da waren.
Wenn du traurig bist, dann weine und wenn du glücklich bist,
dann lache!
Erlaube dir stets so zu sein, wie dir ums Herze ist, alles
andere wäre ein Verrat deiner Selbst!
Von 💗 zu 💗
(c) Erika Klann
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