Als
nach meiner Mutter im letzten Jahr auch mein Vater zum Pflegefall wurde,
erkannte ich zum ersten Mal ganz bewusst, dass möglicherweise sehr bald sehr
weitreichende Entscheidungen anstehen würden.
Damals
reinigten wir mein Elternhaus und bereiteten alles für eine 24h-Pflege vor. Wir bemerkten schon damals, dass sich sehr viele Dinge angesammelt hatten und
"scherzten" noch, dass wenn meine Eltern einmal nicht mehr sein
würden, wohl nur ein Container helfen könnte... tja leicht gesagt. Wie rasch
dieser Moment dann doch da sein würde, damit hatten wir damals nicht gerechnet.
Nachdem
nun mein geliebter Papa im letzten November verstorben ist und sich die Pflege
meiner Mutter zuhause mehr als schwierig gestaltete, zudem die Heizung defekt war, galt es wieder eine
Entscheidung zu treffen. Eine Entscheidung, die letztendlich nur ich treffen konnte und die
ich mir nicht wirklich leicht machte, mir aber dennoch Erleichterung brachte.
Meine Mutter bekam einen Platz in einem Pflegeheim. Dort hat sie die Chance
noch einmal neu anzufangen, anstatt gegen Wände zu starren und siehe da, dort
ist sie in mancherlei Hinsicht wie ausgewechselt.
So sucht sie sich täglich ihre Kleidung selbstständig aus, was sie schon lange nicht mehr tat oder überlegt, welches Essen ihr schmecken könnte.
Nun
war es leer, mein Elternhaus, das offiziell schon lange in meinem Besitz ist,
denn mein Vater wünschte sich sehr, dass sein Lebenswerk in der Familie bleibt.
Schon
die letzten Jahre hat er mich immer wieder bei verschiedenen Entscheidungen
miteinbezogen "Du bist ja jetzt die Hausherrin", sagte er dann.
Jetzt war ich tatsächlich die Hausherrin über meines Vaters "Königreich" geworden, aber
bevor ich meine "Herrschaft" übernehmen kann, gilt es, das Haus zu
räumen....
...ich
begann, wie wohl jeder beginnt, mit den Schränken und Laden. Mit Kleinkram und
angesammelten Dingen. Dinge, die man vielleicht noch verwenden könnte, oder
einfach Erinnerungen, wie Fotos oder Ansichtskarten, aber auch Dinge, deren
Zeit vorbei war. Alles galt es auf die eine oder andere Art zu ent/ver/sorgen.
So
begann auch eine Zeitreise in die 50/60iger Jahre, als die einfachen Leute noch
kein Telefon hatten und Ansichtskarten als Kommunikationsmittel dienten. Man
gab Vorhaben bekannt, Ankunftszeiten, verabredete sich oder schickte einfach
Grüße.
Eine
dieser Karten sendete mein Vater an meine Mutter und mich, als er Ende der
60iger Jahre zur Kur war. Ich weiß noch, wie sehr ich damals geweint habe, dass
mein Papa wegfuhr. An das Bild der Karte konnte ich mich nun auch wieder
erinnern, der Text war mir fremd und neu. Kein Wunder, ich war damals auch erst
3 Jahre alt.
Der
Text war jetzt nicht übertrieben voller Liebe schwelgend, aber er war
liebevoller, als ich meinen Vater je bewusst kennen gelernt habe. Selbst meine
Tochter war total über die Wortwahl überrascht. Diese Seite kannte auch sie bei
ihrem Opa nicht.
Ich fragte mich natürlich, wo DIESER Mann im Laufe der Jahre "hinverschwunden" war und war tagelang tief gerührt und bedauerte ich sehr, ihn nie so erlebt haben.
So
habe ich meinen Vater nach seinem Tod noch einmal ganz neu kennen gelernt und irgendwie Teile meiner Vergangenheit im gewissen Sinn noch einmal durch lebt.
In seiner Werkstatt hat er in Mappen gezeichnete Bilder von
seinen Kindern und Kindeskindern aufbewahrt oder an der Wand aufgehängt.
Abgesehen davon, hat er auch andere Dinge aufgehoben. Schrauben, Bretter,
Schläuche, alles mögliche war in seinen Werkstattkästen zu finden.
Eines Tages kann man
all das sicher noch gebrauchen.
Ja, diese Generation hat den Dingen noch einen Wert gegeben, vor allem wusste sie, wie es sich anfühlt nichts zu haben.
Vater war sehr geschickt und konnte dank seiner Kreativität und den gesammelten
Dingen, immer wieder Neues basteln. Er hat sich nie gescheut, etwas anzupacken,
hat überlegt und hat's angepackt. So hat er zum Beispiel in der Speisekammer IN ein
sehr stabiles selbstgebautes Holzregal zu einem späteren Zeitpunkt alte
Küchenschränke eingebaut. So war alles zweckdienlich verstaut und verstaubte
nicht in einem offenen Regal. Dieses Konstrukt zu zerlegen, war gar nicht so
einfach.
Oft
war ich beim Räumen von der Art und Weise wie und was er erschaffen hat total ergriffen.
Hat
mein Vater in seiner Werkstatt gesammelt, so sammelte meine Mutter in der
Küche. So fanden sich verschiedenste Kaffee- oder Speiseservice. Teilweise nur
noch recht lückenhaft. Manche Dinge konnte ich leicht weggeben, andere wieder
erinnerten mich an meine Kindheit. So manche Vase oder Schüssel, durfte dann
doch noch bleiben. Auch der Hund.....
....den Hund aus Leder hat mir mein Vater seinerzeit mitgebracht. Er ist ca. 10 cm lang und 8 cm hoch. Er hat mir eigentlich nie wirklich gefallen und so spottete ich immer wieder mal, dass meine Mutter dieses "Ding" auf der Küche zur Zier stehen hatte. Nun, beim Räumen, habe ich diesen Hund gewaschen und siehe da, ich brachte es nicht übers Herz, ihn wegzugeben. Somit muss ich meiner Mutter auch irgendwie dankbar sein, dass sie so manche Sachen doch nicht weggeben hat.
Wie man vielleicht unschwer erahnen kann, war es für mich die absolute Herausforderung, den Hausrat
meines Elternhauses aufzulösen, denn hier ging es nicht nur um Hausrat, wie
alte Bettwäsche, Schüsseln oder Besteck, Küchenmaschinen oder Bügeleisen, es ging hier auch um das Loslassen
einer Zeit, die ohnehin schon längst vorbei ist - meiner Kinderzeit.
Natürlich
bin ich den Kinderschuhen längst entwachsen, aber dieses Räumen, dieses
Weggeben von Dingen, die ich schon ewig kenne, machte dies noch mehr bewusst.
Ich bin nicht mehr Kind, sondern Tochter.
Nach
dem Räumen von Schränken, Hausrat und Schraubensammlungen, kam das Räumen der
Möbel und im nächsten Schritt das Räumen dessen, was mein Vater wieder mit
seinen Händen erschaffen hat. Das Entfernen von Holzdecken, Böden, Fliesen,
Tapeten, Verkleidungen.
Auch
das war nicht leicht, denn ich habe großen Respekt vor dem was mein Vater sich
erspart und erarbeitet hat, dennoch kann Neues nur entstehen, wenn Altes geht.
Erst
dann kann aus meinem Elternhaus MEIN Haus entstehen. Mein Haus, mein neues
Zuhause, meine neue Praxis. Der Dreh- und Angelpunkt meiner kleinen Familie. Ein neuer Lebensabschnitt!
Dieses
ganze Räumen, weg geben, los lassen, war, trotz dem gemeinsamen Schaffen mit
meinen Kindern, doch sehr gefühlsintensiv. Aber auch genau das war und ist von
immenser Wichtigkeit - der Trauer noch einmal ganz bewusst Raum geben, sich
allen Gefühlen, die sich zeigen auch tatsächlich stellen und durch gehen.
Es zeigte mir aber auch einmal mehr, dass es gut ist, sich beizeiten von Dingen zu trennen, die man längst nicht mehr in Gebrauch hat.
Je
leerer das Haus wird, desto leichter und lichter erscheint alles. Gefühlt
befinde ich mich schon beim Ausgang aus dem Raum der sich Vergangenheit nennt,
schon mit einem Bein im Raum der sich Neubeginn nennt.
Genau
passend zum Frühling!🌹🌷🌸🌺🌼
Von 💖 zu 💖
(c) Erika Klann
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