Samstag, 7. April 2018

Das Kuvert von Seinerzeit - versäumte Gelegenheiten


In der zweiten Hälfte der 80iger Jahre war ich bei einer Patentanwaltskanzlei beschäftigt. Von meinem Platz konnte ich ins Nebenzimmer sehen, das durch eine Glaswand abgetrennt war. Genau in meinem Blickfeld hatte Frau Ilse ihren Arbeitsplatz, die ich damals natürlich mit ihrem Nachnamen ansprach. Frau Ilse war damals knapp zwanzig Jahre älter, stammte aus einem der österreichischen Bundesländer und lebte zu jener Zeit mit ihrem Mann und ihrer kleinen Tochter in Wien. Sie war eine aufgeweckte, aber auch sehr ernste Dame, die ich sehr schätzte. Ab und an plauderten wir miteinander. Die kleine Familie hatte in den nahen Bergen von Wien ein Haus gekauft, das sie liebevoll renovierte. Eines Tages kündigte Frau Ilse ihren Job in der Kanzlei, da die Familie beschlossen hatte, die Stadt zu verlassen um fortan auf dem Land in ihrem Häuschen zu leben. Ich kann mich noch gut erinnern, wie sie erzählte, dass sie sich nun ganz ihrer Familie widmen und zuhause bei ihrer Tochter sein wollte. Sie freute sich damals sehr.

Die Jahre vergingen. Hin und wieder  dachte ich an Frau Ilse, ganz besonders, als 2012 eine Freundin  in ihre Nähe gezogen war. Der Weg zu jener Freundin führte durch das Dorf in das meine ehemalige Kollegin damals gezogen war und jedes Mal wenn ich dort durchfuhr, dachte ich an sie. Wie es ihr wohl gehen würde? Ob alles wohl so gekommen ist, wie sie es sich damals ausgemalt hatte? Ob sie gesund ist usw? Ich hatte aber auch keine Adresse und es waren auch schon so viele Jahre vergangen.

Dieser Tage musterte ich meine Bücher aus und dabei entdeckte ich in einem Buch ein Kuvert mit einer Weihnachtskarte. Es war von Frau Ilse! Sie hatte mir damals liebe Weihnachtsgrüße gesendet und mir mitgeteilt, dass sie nun endlich ein Telefon hätte. Die Nummer hatte sie mir ebenfalls bekannt gegeben. Ich kann heute gar nicht mehr sagen, ob wir damals je telefoniert hatten, denn das telefonieren war noch relativ teuer und ich lebte damals laut des Kuverts noch bei meinen Eltern.

Dieses Kuvert bewog mich nun im Internet nach ihr zu suchen. Bald wurde ich fündig. Adresse und Telefonnummer waren noch die gleichen wie auf dem Kuvert von damals angegeben. Ich überlegte, ob ich sie einmal anrufen soll, oder ob es einfach schon zu lange her war. Der Poststempel ist nicht mehr zu lesen, aber das Kuvert muss ungefähr aus dem Jahr 1987-88 stammen. Während ich noch überlegte, fiel mein Blick auf einen Eintrag weiter unten auf der Internetseite. Ein Parte mit ihrem Namen.
Ich klickte den Link an und tatsächlich, sie war im Jänner 2014 ganz plötzlich verstorben. Auf dem Parte war ein Foto von ihr abgedruckt und ja so hatte ich sie in Erinnerung.

Es wurde still in mir, denn ich hatte sie verpasst! 

Ich fragte mich, was mir gerade jetzt dieses Kuvert, nach Übersiedlungen und ca. 30 Jahren sagen wollte? Es könnte viele Botschaften haben... beispielsweise:

  •  verpasse keine Gelegenheit Zeit mit dir lieben Menschen zu verbringen, wenn du den Impuls dazu spürst

oder aber
  •  das Gute das wir tun, bleibt immer in den Herzen jener, die wir ehrlichen Herzens berührt haben.

 Frau Ilse hat mich berührt, noch nach 30 Jahren, 4 Jahre nach Ende ihres irdischen Seins.

Von 💖 zu 💖






(c) Erika Klann

2 Kommentare:

  1. Liebe Erika, ich kann das total gut nachvollziehen- mir ist es genau so ergangen und meine Bekannte ist auch 2014 verstorben (allerdings lagen nicht so viele Jahre zwischen dem letzten Wiedersehen wie bei dir)... und ich fand ihre Parte auch online- ich war sehr überrascht und traurig. Aber manchmal bekommt man wohl so Impulse und manchmal ist es leider auch zu spät für ein reales Wiedersehen in diesem Leben. Alles Liebe:-), Astrid.

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    1. Liebe Astrid, vielen Dank, für deine Geschichte und deine Gedanken :-)
      Ja, manchmal ist es einfach so. Herzliche Grüße Erika

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