Vom Gefühl her war es gestern, dass ich den Blog über die
beginnende Adventszeit geschrieben habe und schon steht das Weihnachtsfest
unmittelbar bevor.
Ich hoffe, du hattest nicht all zuviel Stress und konntest
diese Adventzeit genießen. Hast es doch das eine oder andere Mal geschafft,
dich aus dem Trubel, der in diesen Tagen oft steckt, immer wieder raus
zuhalten.
Ich ließ alles auf mich zukommen und habe nun etwas Selbstgebackenes, einen Baum und alle
wichtigen Besorgungen erledigt. Es war eine gute Zeit und nun kann Weihnachten
kommen und bald schon auch das Neue Jahr.
Kurz vor Weihnachten feiern wir in meiner Familie jedes Jahr
einen Geburtstag und zwar den meines Vaters. Diesmal war es auch bei ihm ein
besonderer Geburtstag, nämlich der NEUNZIGSTE. 🎇🎆🎉Wir haben diesen Tag mit ihm im kleinsten Familienkreis bei Tee
und Torte "gefeiert", eine größere Feier findet erst nach den
Feiertagen statt.
Mein Vater ist nun also neunzig Jahre. Er wurde 1926
geboren, in einer Zeit, wo hauptsächlich Pferdekutschen unterwegs waren, wo
eine Weltwirtschaftskrise herrschte und die Menschen kaum etwas zu essen
hatten. Es war äußerst schwierig eine 5köpfige Familie zu ernähren. Selbst ein
paar Groschen zum Kaufen von Mehl, waren nicht immer vorhanden. Er musste viele
Jahre das Bett mit seiner Schwester teilen, erst als die Älteste der drei
Kinder außer Haus ging, hatte er ein Bett für sich. Eine Zeit, die man sich
heute gar nicht mehr vorstellen kann. Auch technisch betrachtet gab es in
diesen neunzig Jahren extrem viele Veränderungen. Als Kind wurde mein Vater
noch ums Petroleum für die Lampe geschickt und Kühlschränke, Fernseher oder
Waschmaschinen gab es nicht, geschweige den Handys oder Computer.
Ich weiß noch gut, als mein Vater so alt war, wie ich jetzt.
Damals war gerade das Lied "auf einmal wird man fünzig..." ziemlich
populär. Ich war zehn und fünfzig erschien mir uralt, obwohl mein Vater mit
fünfzig wieder mit dem Skifahren begann.
Damals war die Welt zwischen uns beiden noch ziemlich in Ordnung.
Wenn er böse auf mich war, musste ich
lächeln und er konnte auch nicht anders, als zu lächeln und somit war die dicke
Luft meist wieder vorbei.😜 Aber spätestens als ich die Pubertät erreichte,
entfremdeten wir beide uns mehr und mehr. Er erklärte mir immer, wie streng er
aufgezogen wurde und wann er zuhause sein musste "Zum Gebetläuten um 19
Uhr" - ich höre es heute noch. 19 Uhr, ich war ein Teenager und wollte wie
alle Teenager sicher nicht um 19 Uhr zuhause sein. Er hielt mich oft sehr kurz, nicht zuletzt wurde ich auch mal dafür
gehänselt.😥
Mein Vater und ich entfremdeten uns sogar so stark, dass wir
einige Jahre überhaupt nicht mit
einander sprachen.😟 Ich kann es mir heute selbst gar nicht mehr vorstellen, aber
bis auf ein "Guten Tag" oder "Auf Wiedersehen" war nicht
viel - über Jahre! Man kann nicht sagen, dass er mich ständig prügelte, aber
wenn ihm mal die Hand "auskam", dann hat es sich ausgezahlt und
Hausarreste kamen teilweise ganz willkürlich. Aber ich war immer schon eine
Revolutionärin, was unser Beisammensein nicht einfacher machte.😒
Erst als ich mit meinem späteren Ehemann unsere Wohnung
renovierte, begannen mein Vater und ich uns langsam wieder anzunähern und ich
lernte sehr viel von ihm. Nie werde ich vergessen, als wir das erste Mal gemeinsam
tapeziert haben und er mir zeigte, wie es geht. Auch später habe ich viel von
ihm gelernt. Beim Reifenwechseln sind wir ein toll eingespieltes Team. 💪😃
Er war mir nach der Scheidung vom Vater meiner Kinder eine
wirklich große Stütze. Die psychische Erkrankung meiner Mutter hat uns zusammengeschweißt und
bald wurde ich in dieser Hinsicht seine Stütze. Ich verdanke ihm viel, als
allererstes mein Leben, aber auch viele Fertigkeiten.
Natürlich hat er als "erster Mann in meinem
(er)Leben" auch mein Männerbild geprägt. Nicht unbedingt zum Vorteil, denn
Gefühle zeigte er nicht - war mein erster Gedanke, als ich über diesen Blog
nachdachte - aber nein, das stimmt so nicht, den Wut und Zorn zeigte er schon,
nur sensibel oder liebevolle Gefühle verbarg er gut. Ich glaube, diese
Generation hat das auch gar nicht gelernt. Meine Tanten, seine Schwestern,
waren auch nicht viel anders. Noch heute wird mein Papa verlegen, wenn ich ihn
umarme.😅 Von selbst würde er das wohl nicht tun.
Auch, wenn er es eher nicht zum Ausdruck bringt, so weiß ich
heute, ohne große Worte, dass ich ihm sehr wichtig bin und er froh ist, dass
ich da bin, wenn es nötig ist.💜
Ich bin unendlich stolz auf ihn, weil er nie aufgibt, weil
er noch immer rund 12 Kilometer mit dem Fahrrad fährt, er noch immer das eine
oder andere Mal als Sportschütze den 1. Platz schafft, er sich auch für
alternative Heilmethoden öffnet, und sich und meine Mutter versorgt.
Wir waren nicht reich, aber er hat dafür gesorgt, dass wir
das hatten, was wir brauchten. Meinen Halbbruder aus erster Ehe hat er alle 2
Wochen zu uns geholt, dabei haben wir meist etwas unternommen und abends haben
wir ihn wieder knapp 30 km nachhause gebracht.
Er hat uns sogar im Winter einen großen Schneehaufen
gemacht, damit wir mit den Skiern oder der Rodel runterrutschen konnten. Wenns
auch nur ein paar Meter waren, aber für uns war es ein Riesenspaß.
Er tat und tut immer alles, was ihm möglich ist und so
betrachtet, wird er für mich immer ein großes Vorbild sein.
Morgen am heiligen Abend wird er mich wieder ungeduldig
anrufen und fragen: "wann können wir denn kommen?" Nun ja, er hat ja
um diese Zeit nichts weiter zu tun und wie wir alle wissen "Das Warten auf
das Christkind kann sich ganz schön in die Länge ziehen...." 😉😉
Heuer zum Fest der Liebe, will ich mich in Demut und
Dankbarkeit üben:
- Demut vor seinen neunzig Jahren und all seinem Erlebten und Geschafften.
- Dankbarkeit für unsere gemeinsamen fünfzig Jahre, von denen trotz so vielen Differenzen und Querellen in der Vergangenheit, dennoch unterm Strich das Gute überwiegt.
Ich ziehe meinen Hut und wünsche ihm noch viele gute Jahre.
Wenn du mit deinen Eltern schwierige Zeiten erlebt hast, so
denke doch mal daran, welche Fähigkeiten und Ressourcen du durch sie entwickelt
hast. Selbst der grausamste Elternteil kann uns die Chance geben, etwas ganz
Außergewöhnliches in uns zu entwickeln und wenn es nur ist, etwas anders,
bewusster zu machen. Sein Herz zu öffnen und seinen Kindern Liebe spüren zu
lassen.
Mach dich gerade jetzt auf
deine persönliche Schatzsuche, um vielleicht im neuen Jahr viel leichter
beginnen zu können. Leichter und unbelasteter, weg von Zorn und Hass, hin zum
Verzeihen und zur Liebe. 💓
(c) Erika Klann
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