Samstag, 28. Mai 2016

Wenn Undenkbares möglich wird; als ich mich aus der Krise in die "Sucht" lief


Es war im März 2002. Ich war seit 2,5 Jahren alleinerziehende Mutter und hatte zu dem Zeitpunkt  in verschiedener Hinsicht anstrengende und schmerzhafte Zeiten hinter mir. Ich war zudem berufstätig und hatte zwei Kinder im Alter von 8 und 10 Jahren zu versorgen. Die beiden waren nicht immer einfach - heute weiß ich, dass sie mir mein damaliges Innenleben spiegelten. Außerdem hatten sie auch den Verlust ihres Vaters zu verkraften.

Ich war damals oft ermüdet und konnte mich schwer aufmachen, etwas anderes zu tun, als die Tätigkeiten, die ich tun  musste. Haushalt, Job und Kinder. So begab es sich an einem Sonntag, dass ich nur müde war. Ich hatte öfters niedrigen Blutdruck. Ich schleppte mich regelrecht durch die Wohnung... die Kinder daneben und in dem Moment war mir klar, dass es so nicht weiter gehen konnte.

Ich musste etwas tun ! Etwas was meinen Kreislauf in Schwung bringen würde.

Aber was? Laufen war mein erster Gedanke..... ABER

....ich konnte bisher nie laufen. Als ich Jahre zuvor in einem Turnverein eingeschrieben war und wir ab und an "locker" durch die Halle  laufen sollten, überwand MICH immer mein innerer Schweinehund - der mir vehement zuflüsterte "Du kannst das nicht!" "Du bekommst keine Luft!" "Es macht keinen Spaß!" "So ein Blödsinn!" "Hör auf damit!"
JA, mein Schweinehund war sehr stark und er konnte mich gut überreden, dem Laufen absolut nichts Positives abzugewinnen. Ich war felsenfest davon überzeugt, dass Laufen wohl eine gute Sache wäre, ABER nicht für mich.

An jenem bewussten Sonntag, war mir aber klar, dass ich nun NEU denken musste, weil so konnte ich meinen Kindern nicht die Mutter sein, die ich mir wünschte zu sein - glücklich, gesund und aktiv. Vor allem, wollte ich ihnen mehr bieten, als einen sonnigen Nachmittag in der Wohnung, mit einer "kaputten" Mutter.

Also begann ich zunächst einmal "probeweise" am Stand zu joggen, dann erweiterte ich meinen Lauf auf die gesamte Wohnung. Für die Kinder war das sehr lustig, weil sie mir nachliefen. Mein Blick wanderte ständig zur Uhr und ich war sehr verwundert, dass mir nach einer halben Stunde noch immer nicht die Luft ausgegangen war. Ich konnte es gar nicht glauben.

So entschied ich, meine "Lauferfahrung" vom Vormittag  am Nachmittag auf seine "Echtheit" zu prüfen. Als Spaziergängerin "verkleidet" in Begleitung meines Sohnes am Fahrrad machte ich  mich langsam auf den Weg um das Laufen im Freien auszuprobieren. Ich hatte mir ein Ziel vorgenommen, das vielleicht maximal 3 km entfernt war und wollte von dort zurück spazieren. Ich lief langsam und siehe da - ich lief hin und nach einer Pause wieder zurück!!

Wahnsinn, ich konnte es gar nicht fassen - ich und laufen?!!

Es war für mich, wie ein Weltwunder. Etwas, was ich nie gedacht hätte, war auf einmal möglich geworden.

Ab diesem Zeitpunkt lief ich regelmäßig. Zuerst jeden zweiten Tag, dann steigerte ich mein Laufverhalten auf fast jeden Tag. Nicht nur, dass ich täglich rannte, so wollte ich immer weitere Strecken zurück legen. Konnte ich einen Tag nicht laufen, konnte ich es gerade noch aushalten. 2 Tage ohne laufen waren allerdings furchtbar für mich. Ich lief zu jeder Jahreszeit und sogar bei 30 Grad. Bald hatte ich Kleidergröße 32-34 - bzw. konnte ich in der Kinderabteilung einkaufen gehen. Ich fühlte mich wohl und auch nicht zu dünn. Abgesehen davon hatte ich einmal in einer schweren Phase meines Lebens mit  20 Jahren kurzfristig Kleidergröße 42-44.

Manchmal erst um 20 oder 21 Uhr  am Abend, wenn ich meinen Job und meinen Haushalt erledigt hatte, musste Laufen UNBEDINGT sein. Es tat mir auch wirklich gut.
Ich hatte Spaß daran. Fühlte  mich rundherum wohl.


Ich lief und lief und lief.......ich war eine Süchtige geworden....


In einigen Phasen meiner Darmerkrankung musste ich kürzer treten, aber sobald es mir besser ging, war ich schon wieder unterwegs.....bis zu dem Zeitpunkt wo mein Rücken mir das entsprechende Signal gab! STOP!

Dann musste ich zwangsläufig kürzer treten und mein Ansporn "immer weiter, immer mehr" ließ deutlich nach. Aber ich lief nach wie vor regelmäßig (nur eben kürzere Strecken von ca.
6 km)

Als ich 2011 mit meinen Ausbildungen begann und in Folge viel an mir arbeitete, wurde ich zunehmend ganz von allein langsamer. Ich wollte nicht mehr nur "schnell" eine Runde in der Natur sein und laufen - ich wollte die Natur genießen und länger erleben. Beim Laufen spult man mehr oder weniger seine Strecke herunter, man bleibt eher nicht stehen um die Natur zu genießen. Wobei ich schon anmerken möchte, dass ich in  meinem ersten Laufjahr die Veränderungen der Jahreszeiten sehr wohl wahr genommen habe, aber anders, nicht so subtil.

So entdeckte ich das Walken als neue Möglichkeit mich einerseits zu bewegen und andererseits die Natur viel mehr zu genießen. Anfangs wechselte ich laufen und walken ab, wobei das Walken immer mehr die Oberhand gewann. Wenn ich walke bin ich zwischen 1,5 bis  2,5 Stunden unterwegs und merke aber, dass wenn ich es übertreibe, mir mein Körper SOFORT ein Signal gibt.

Ich habe gelernt, auf das Signal zu hören, nicht mehr davon zu laufen oder zu walken, sondern einfach auch zu relaxen, genießen, mit mir zu sein - so wie ich es in einem meiner vorigen Blogs (Ein Ausflug mit mir - vom süßen "Nichts-tun") beschrieben habe.

Heute bin ich frei von "LAUFEN-MÜSSEN" - ich treffe meine jeweilige Wahl..
Ich bin sehr froh, dass ich damals entgegen meinen bisherigen Glaubensätzen, mir selbst die Chance gab, das Laufen überhaupt für mich in Erwägung zu ziehen. Es war eine tolle Erfahrung.

Ich bin überzeugt davon, dass wir in unserer Gesamtheit (Körper-Geist-Seele) Bewegung brauchen. Das soll im Klartext bedeuten, Bewegung in körperlicher als auch in geistiger Form.  

Mir scheint, dass es darum geht, den Mittelweg für sich zu entdecken und vor allem auf die Signale des Körpers zu hören und den nötigen Raum zu geben.

Körper - Geist - Seele - eine Einheit.



Von Herz zu Herz






(c) Erika Klann

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